Ressortverteilung in der neuen Regierung Merz
Die Devianz der CSU ist nicht zu unterschätzen, es darf keine Reibungsverluste geben.
Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD könnte bereits in seiner Struktur Konflikte bergen, denn die ressortspezifische Aufgabenverteilung schafft institutionalisierte Spannungsfelder zwischen den Parteien.
Die SPD wird das das Umwelt- und Klimaministeriumführen, die CSU kontrolliert das Exekutivressort der Landwirtschaft, das eine Erweiterung um „Heimat“ erhält – eine Konstellation mit Konfliktlinien, die immanent scheinen. Hier lässt sich das Fundament organisierter Devianz erahnen, wenn Ressortinteressen kollidieren. Besonders die CSU tendiert strukturell zu abweichendem Verhalten. Ihre Vertreter müssen sich auf Bundesebene profilieren, um bayerische Eigenständigkeit zu demonstrieren. Diese inhärente Devianz könnte den Koalitionsfrieden gefährden – ähnlich wie 2018, als die CSU fast die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufkündigte.
Die Verteilung der Sondervermögen verschärft diese Konfliktlinien. Das SPD-geführte Umweltministerium erhält Milliardensummen für Klimaschutz, deren Einsatz das CSU-Landwirtschaftsministerium blockieren könnte. Im Gegenzug droht seitens der CSU bei umweltpolitischen Vorgaben Reaktanz – systematischer Widerstand gegen wahrgenommene Autonomieeinschränkungen.
Die Union warb im Wahlkampf mit Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau. Der Koalitionsvertrag spricht nun vom „Abschmelzen“ des Personalkörpers der Bundesverwaltung um acht Prozent. CDU-Abgeordneter Amthor nannte im Wahlkampf zehn Prozent der Ministeriumsbeschäftigten, also eine ganz andere Grundlage udn Zahl als nun nach den Verkündungen des Friedrich Merz (CDU) im Raume steht. Dieser semantische Unterschied verbirgt eine quantitative Diskrepanz: Die Bundesverwaltung mit rund 300.000 Beschäftigten ist zehnmal größer als die Ministerialebene mit 30.000 Mitarbeitenden. Ein prozentuales Abschmelzen bedeutet daher absolut eine wesentlich umfangreichere Personalreduktion. Nun kann es sein, dass der Mann, der nach dem Kanzleramt greift: Friedrich Merz schlicht nicht weiß was der unterschied ist oder es ist ihm nicht wichtig diesen Unterschied klar zu machen. Beides wäre eine fatale Sicht auf die Interessen und Vorhaben des Friedrich Merz. Schließlich will er sein Kanzleramt ja ausbauen und einen noch stärkeren Personalaufwuchs verursachen, obwohl schon unter Angela Merkel mindestens das die doppelte bis dreifache Personalanzahl im Kanzleramt aufwuchs.
Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition verträgt Deutschland keinen weiteren politischen Stillstand durch Ressortblockaden. Im ungünstigsten Fall wiederholt sich das Ampel-Szenario – nur mit der CSU in der Rolle des potenziellen Problemfalls, der durch Parteiinteressen den Koalitionsfrieden gefährdet.
Auf der Agenda stehen drängende Reformen: eine Novelle des Tierschutzgesetzes das in der letzten Ampel-Legislatur unter den tisch gefallen ist, flächendeckende Beschäftigtentarife mit der Klärung der Altersvorsorgeimplikationen und die Verteilung knapper EU-Agrarfinanzmittel in Anbetracht des großen Rüstungswunsches. Diese Fragen betreffen existenzielle Belange der ländlichen Bevölkerung, während die Landwirtschaft als souveränitätskritischer Bereich an Bedeutung gewinnt.
Landwirte könnten zwischen den divergierenden politischen Logiken aufgerieben werden: Das SPD-Umweltministerium tendiert zu ökologischen Regulierungen, das CSU-Landwirtschaftsministerium priorisiert wirtschaftliche Bestandssicherung.
Bei der Agrarförderung wird diese Diskrepanz besonders deutlich: Die erste Säule der GAP liegt im CSU-Bereich, während Umweltprogramme dem SPD-Ministerium unterstehen. Die unterschiedlichen normativen Orientierungen können zur gegenseitigen Paralyse führen.
Der wohl zukünftige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) muss die Koalitionspartner affizieren – sie emotional und intellektuell so berühren, dass sie trotz unterschiedlicher Grundpositionen kooperieren und Konflikte lösen statt eskalieren. Zwischen parteipolitischer Profilierung und sachlicher Problemlösung besteht ein struktureller Widerspruch. Sollte die Koalition an diesen Spannungen zerbrechen, hätte dies weitreichende Folgen für die Stabilität ländlicher Räume, die verlässliche politische Rahmenbedingungen benötigen.